Der gestrige Tag weckte bei mir ein Forschungsinteresse: Wie offen und integrativ ist Deutschland wirklich? Seit ich in einer multikulturellen Beziehung lebe, habe ich ja nun die Gelegenheit, mir die Demokratie dieses Landes auch mal von der Außenseite anzusehen. Gestern sah das nicht so gut aus.
Da musste ich nämlich meinen Süditaliener von Fieberkrämpfen geschüttelt und mit erbarmungswürdiger Schniefnase zum Arzt transportieren. Auf die Frage nach seinem Hausarzt erfuhr ich, dass er vor drei Jahren das letzte Mal bei einem Allgemeinmediziner war und wir riefen nun also da an und machten uns auf den Weg, um pünktlich zu Beginn der Sprechstunde dort zu sein - meiner Erfahrung nach der beste Weg, schnell zum Arzt vorgelassen zu werden.
Und richtig, wir standen an dritter Stelle in der Schlange zur Anmeldung und da der Opa vor uns nur ein Rezept brauchte, waren wir also dann sogar auf Rang zwei der Hackordnung - dachten wir zumindest. Denn es gab ein kleines Problem mit der Krankenversicherung. Der Süditaliener hat nämlich eine EU-Krankenversicherung, damit er sowohl hier in Deutschland, als auch in der Heimat ohne Probleme zum Arzt gehen kann. Das ist fortschrittlich und umsichtig gedacht. Laut EU-Richtlinien sollte jeder Arzt das entsprechende Formular für die Abrechnung vorrätig haben. Sollte...
Der Medizinmann unserer Wahl zieht es nämlich vor, Patienten mit einer anderen als einer deutschen Krankenversicherung nur auf Rechnung zu behandeln und den Schwarzen Peter der Verhandlung dem Patienten zuzuschieben. Und obwohl die Abrechnung in diesem Fall über eine recht bekannte deutsche Krankenversicherung ablaufen würde, konnte uns die Sprechstundenhilfe da nicht weiterhelfen. Wir mussten bar bezahlen und sollen uns das Geld nun von "Ihrer ausländischen Krankenversicherung" wiederholen. Auch die Erwiderung, dass die Versicherung keineswegs ausländisch, sondern europäisch sei, brachte keinen Erfolg.
Bis wir allerdings zur Klärung all dieser Widrigkeiten vordringen konnten, hatte Frau Sprechstundenhilfe bereits die gesamte Schlange hinter uns bearbeitet und so landeten wir von Platz zwei gnadenlos auf dem letzten Platz im Wartezimmer - ohne Taschentücher und mit über 38°C Fieber!